Kleine Region, große Weine

Es ist wohl kaum ein einzelner Faktor, der aus einem guten Wein, einen großen Wein macht. Es ist vielmehr die Symbiose mehrerer Parameter. So ist es auch im Rheingau, wenngleich gerade in diesem kleinen deutschen Anbaugebiet – historisch bedingt – eine hohe Affinität zu großen Weinen besteht, allen voran bei den Rebsorten Riesling und Blauer Spätburgunder. Wein ist ein einzigartiges Naturprodukt. Als Gegenentwurf zu einer spürbaren Globalisierung des Weingeschmacks besinnen sich Winzer auf Herkunft und Authentizität. Es entwickelt sich ein geschärftes Bewusstsein für Weine, die in ihrer Stilistik die natürliche und ganz individuelle Eigenart ihres Standortes und der Arbeit des Winzers spiegeln.

 

Rastlose Qualitätserfinder

Aus seiner Tradition heraus ist und bleibt der Rheingau ein Weinbaugebiet mit hohem Qualitätsstreben und einem immensen Erfahrungsschatz in der Klassifizierung von Weinlagen. Hier wurden nicht nur Spätlese und „Cabinet“ erfunden, es gab hier auch die ersten Flaschenweine und ein frühes Bestreben, große Lagen zu etablieren und zu schützen. Das führte zum Erfolg. Namhafte Rheingauer Weingüter strahlen zu Beginn des 20. Jahrhunderts weit über die Region und Deutschland hinaus. Ihre Rheingauer Rieslinge wurden damals höher gehandelt als so mancher erstklassige Bordeaux.

So ist es kein Wunder, dass die erste Qualitätsbewegung der deutschen Nachkriegsgeschichte ihre Wurzeln erneut im Rheingau hat. Aus einem kontroversen Diskurs entwickelte sich im Rheingau die einzige, parzellengenaue Lagen-Klassifizierung Deutschlands und damit eine Gütekarte, die auf einer wissenschaftlich fundierten Basis beruht. Diese war die Grundlage für das „Erste Gewächs“, das mit dem Jahrgang 1999 erstmals lanciert worden war und zum Vorbild für die VDP.Klassifizierung wurde. Bis heute ist Hessen das einzige Bundesland, in dem eine Lagenklassifikation Gesetzeskraft hat, die Basis für das neue RGG.

Ein Klima in Balance

Mit seinen 3200 Hektar ist der Rheingau eines der kleinsten Weinanbaugebiete Deutschlands. Im Riesling allerdings ist der Rheingau ganz groß. 80 Prozent der Rebfläche sind mit Riesling bestockt und 12 Prozent mit dem ebenso edlen Blauen Spätburgunder. Beide finden gerade im Rheingau ideale, klimatische Bedingungen, um große Weine hervorzubringen.

Bei Wicker, unweit von Wiesbaden beginnt der Rheingau. Hier am Rheinknie vollzieht der deutsche Weinstrom Rhein den einzigen relevanten Richtungswechsel auf seinem langen Weg von der Quelle bis zur Mündung. Deshalb sind die besten Rheingauer Lagen nach Süd-Südwest ausgerichtet und gedeihen in einem gut balancierten „Cool Climate“. Einerseits trägt die Sonneneinstrahlung zuverlässig zu einer guten, verlässlichen Traubenreife bei. Andererseits profitieren die Trauben von kühlen Fallwinden aus dem Taunus und einer guten Niederschlagsmenge, was für Frische und eine ausgedehnte Reifezeit sorgt – perfekt für spätreife Sorten wie Riesling und Spätburgunder.


Ohne Boden kein Weinberg

Die Lage, das Klima sowie die Ausrichtung der Weinberge tragen im Rheingau einen entscheidenden Anteil am Erfolg der „Rheingau Großen Gewächse“. Denn Riesling und Blauer Spätburgunder reagieren besonders sensibel auf feine Unterschiede in Klima und Mikroklima, in Bodenbeschaffenheit und Gestein. Vier eindeutig unterscheidbare Geschmackskorridore helfen dabei, den Rheingau und seine Weinstile besser zu verstehen:

1.    Tonmergel
Tonmergelböden finden sich in Hochheim (z.B. Hölle), Wicker (z.B. Nonnberg), Hattenheim (Schützenhaus, Erbach (Marcobrunn) und vielen weiteren Lagen des Rheingaus.  Im Glas zeigt sich der Wein in hellem Strohgelb. Es steigt ein Duft von reifem, gelbem Steinobst (Aprikose, Mirabelle) gepaart mit floralen Noten und Aromen von Zitrusfrüchten. Am Gaumen klar und mit saftiger Struktur, gut eingebundener Säure, einer kräftigen Konzentration von Zitrus-Aromen und einer herben Mineralik, die besonders im Finale lange nachklingt.

2.    Löss / Lösslehm
Der ungemein fruchtbare Lössboden im Hattenheimer Engelmannsberg und Oestricher Lenchen versorgt die Rebe mit allem Notwendigen im Übermaß. So wundert es nicht, wenn sich die verschwenderische Fülle unmittelbar im Wein spiegelt: Er kommt als ein kraftvoller, reicher, reifer Wein daher, der von allem viel zu geben hat. Er besticht durch eine Harmonie von ausgeprägter Aromatik und Fülle, wirkt ungemein saftig mit einer großen Bandbreite verschiedenster Fruchtaromen. Es dominieren Noten von Pfirsich und tropischen Früchten.


3.    Taunusquarzit
Die Lagen Rüdesheim Berg Schlossberg und Lorcher Bodenthal-Steinberg sind besonders durch ihren hohen Anteil an Quarzit. Beide liegen höher auf einem steil geneigten, südwestexponierten Hang. Die Sonneneinstrahlung ist ein wesentlicher Faktor für die Qualität. Sie ist abhängig von der Neigung und der Exposition des Geländes. Diese Weine zeigen sich sich schlank, leicht und äußerst lebendig. Hervorstechend ist die Spritzigkeit mit einer lebhaften, angenehm frischen, prickelnden Säure. Feine zarte Fruchtaromen von Grapefruit.

4.    Hunsrückschiefer
Lorcher Schloßberg
Charakteristischerweise findet sich in Lössweinen eine feine Herbe. Ausgewogen ist das komplexe Spiel von süßer balancierter Säure, reichem Körper und einer angenehmen Weichheit, typisch für Weine von kalkhaltigen Böden. Ein Universalist mit viel Potenzial, der Weinfreunden und Kennern gleichermaßen entgegenkommt.

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