Ton
In geologischen Zeiträumen betrachtet ist es noch gar nicht so lange her, dass am Taunusrand die Meeresbrandung rauschte. An vielen Stellen kann noch Brandungsgeröll der 20 bis 30 Millionen Jahre alten Sedimente des Tertiärs gefunden werden. In den ruhigeren Meeresbereichen wurden Feinsedimente abgelagert, z.B. der Cyrenenmergel. Gegen Ende der Tertiärs hob sich das Mainzer Becken, so dass die Verbindung zu den Ozeanen allmählich unterbrochen wurde.
Die feinkörnigen brackigen Ablagerungen dieser Zeit sind von hellgrüner, grüngrauer und blaugrauer Farbe. Häufig sind die Cyrenenmergel nachträglich entkalkt. Tone und Tonmergel bestimmen die Bodenverhältnisse vieler bekannter Weinbergslagen im Raum Hattenheim (Nussbrunnen, Wisselbrunnen), Erbach (Marcobrunn) und Hochheim (Domdechaney, Hölle). Verschiedenfarbige glimmerreiche Tone und Sande wurden bei der Ablagerung miteinander vermengt.
Im tieferen Unterboden folgt der entkalkte Ton des Cyrenenmergel. Die starke Fleckung des Bodens entstand, nachdem das Meeressediment verlandete. Beim Aufsteigen und Abfallen des Grundwasserspiegels entkalkte der Mergel. Durch den Wechsel von Oxidation und Reduktion verfärbten sich die eisenhaltigen Minerale.
Tonböden sind in vielfacher Hinsicht extrem. Es sind schwere, im Frühjahr nasse Böden. Sie können viel Wasser aufnehmen, das allerdings den Pflanzen – bedingt durch die starke Haftung an die Bodenpartikel – nur zu einem geringen Teil zur Verfügung steht. Tonböden besitzen überwiegend Feinporen und sind daher schlecht durchlüftet, „der Boden atmet nicht“. Sickerwasser wird nur langsam weitergeleitet. Die schlechte Drainage führt im Frühjahr zu stauender Nässe und mindert die Luftzufuhr. Dadurch erwärmen die Böden nur langsam. Bekommen die Wurzeln durch das Stauwasser „kalte Füße“, wird das Wachstum gehemmt und die Rebe anfälliger für Krankheiten. Der hohe Tongehalt und die kompakte, dichte Lagerung ereiten der Rebe Schwierigkeiten, die Wurzeln tief in den Boden und bis in die Bodenaggregate zu treiben, um an Wasser und Nährstoffe heranzukommen. Ist der Ton im Spätsommer ausgetrocknet, kann es zu Reifeverzögerungen kommen. Das Mineralstoffpotenzial hingegen ist das große Plus. An den Tonpartikeln sind große Mengen der Mineralstoffe pflanzenverfügbar gespeichert.

Rigosol aus Ton des Tertiärs.
Ein karbonatarmer, basenhaltiger Nassstandort mit eingeschränkten Reifemöglichkeiten

Fossilien des Cyrenenmergel (benannt nach der Brackwasser- muschel Cyrena): Poly- mesoda (Körbchen- muschel) und Schnecken (links: Granulolabium, rechts: Potamides unten: Keepingia.
Foto: G. Radtke
Bodeneigenschaften
- hohes Wasserspeicherungsvermögen aber eingeschränkte Verfügbarkeit
schlechte Durchwurzelbarkeit - Luftmangel, Staunässe
- schlechte Erwärmbarkeit
- geringer Kalkgehalt
- mittleres bis großes Mineralstoffpotenzial
Der Wein
Die Assoziation eines schweren Tonbodens lässt einen stattlichen, opulenten Wein erwarten. Allerdings erfolgt auf dem kühlen, reinen Tonboden die Reifeentwicklung langsam. Zudem ist die schwach saure Bodenreaktion Hinweis auf eine eingeschränkte Nährstofflieferung. Der Wein ist daher weniger stoffig, als es der schwere Boden erwarten lässt. Er wird getragen von einer pikanten Säure und einem verhaltenen Duft nach herben exotischen Früchten (rosa Grapefruit), dazu Noten von Apfel oder Orangenschalen. Der Boden enthält kaum Kalk, so dass die Säure wenig abgepuffert ist und der Wein eher schnörkellos, direkt und kernig wirkt. Typisches Wiedererkennungsmerkmal der Weine von Tonböden ist ihre komplexe Mineralität, ein feiner Bitterton und ein ganz spezielles, salzig- würziges Aroma.
